Die Individualpsychologie Alfred Adlers
In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts etablierte sich die Individualpsychologie Alfred Adlers als tiefenpsychologische Schule und nahm Einfluss auf die Entwicklung von Psychologie, Psychotherapie und Pädagogik.
Die Individualpsychologie ging hervor aus der von Sigmund Freud angestoßenen Bewegung der Psychoanalyse. Alfred Adler, sein Schüler und Mitarbeiter, war ihr Begründer. Zwischen Freud und Adler entwickelte sich eine Kontroverse um den Stellenwert der Libidotheorie in einem gültigen psychoanalytischen Konzept, die zur Spaltung führte. Adler gründete die Gesellschaft für Freie Psychoanalyse, wenig später führte er die Bezeichnung Individualpsychologie ein. Er artikulierte damit seine Überzeugung von der unteilbaren Ganzheit des Menschen und seiner gleichwertigen Bezogenheit auf die Gemeinschaft der Mitmenschen.
Adler kritisierte Freuds Theorie von einem streng kausalen Determiniertsein des Menschen durch seine Triebschicksale. Er setzte dagegen seine Anschauung von einem, Finalität genannten, Bewegungsgesetz, in welchem der Mensch von einer erlebten Minussituation in eine Plussituation strebt, um seinen Selbstwert subjektiv zu sichern. Er hat somit die Bedeutung der Selbstwertregulierung erkannt und den modernen Narzissmustheorien vorgegriffen. Dem Kind schrieb er eine vorhandene soziale Kompetenz und Gestaltungskraft zu, mit welchen dieses sich in den biologischen und kulturellen Bedingungen seinen Lebensstil entwickelt. Er öffnete so einen neuen Blick auf das von Freud postulierte Unbewusste.
Diese Gedanken Adlers sind bis heute lebendig geblieben. Vor allem die hieraus abgeleitete kritische Theorie der Macht ist heute sehr aktuell. Das Institut versteht sich in dieser Tradition. Wir sind dabei immer im Prozess des Weiterdenkens in einem offenen Dialog mit anderen Schulen. In diesem Sinne gestalten wir auch unser Bildungsangebot. Im Mittelpunkt steht der Gedanke eines mitmenschlichen Bezogenseins, das nur fruchtbar sein kann, wenn es auf eine Gleichwertigkeit des Menschen zielt. (Rainer Schmidt, Ehrenvorsitzender des Alfred-Adler Instituts Aachen-Köln)